Die Billigrepublik China bedroht die Welt!
08. Mai 2024
Tut sie das?
Erst vor ein paar Wochen erhielt ich eine riesige Liste mit Cross-Referenzen chinesischer Halbleiter zu solchen westlicher Unternehmen.
40.000 Teile, gematcht mit globalen (amerikanischen und europäischen) Marken, alles aus den Bereichen Analog, Power Management, Sensoren, Protection Devices, Standardlogik, Small-Signal, diskrete Leistungshalbleiter, Interface-ICs. Alles vom Drop-in-Replacement und Pin-to-Pin-Kompatibilität bis hin zu funktionalen Alternativen. Ziel des Angebotes ist es, die Kunden hier »wettbewerbsfähiger« zu machen.
Aus vielen Beiträgen, die ich in den sozialen Medien (LinkedIn) gelesen habe, geht hervor, dass China über enorme Kapazitäten (wenn nicht sogar Überkapazitäten) verfügt, um die Welt mit billigen »Legacy«- oder Standard-Halbleitern zu versorgen und die westliche Konkurrenz aus dem Markt zu schießen. Ich würde sagen, dass alles, was mit mehr als 25 Nanometern hergestellt werden kann, in diese Kategorie fällt, sofern es nicht durch geistige Eigentumsrechte geschützt ist.
Vor ein paar Wochen habe ich gesehen, wie dieser riesige Autofrachter von BYD in Deutschland gelandet ist, mit 3.000 Elektroautos an Bord, wahrscheinlich zu einem wettbewerbsfähigen Preis. BYD plant 200 solcher Frachter, von denen jeder bis zu 7.500 Autos transportieren kann, und will die Vorteile chinesischer Ingenieurskunst in die ganze Welt tragen. Sie wollen auch die E-Infrastruktur aufbauen helfen, die in vielen Ländern fehlt.
Wir wissen bereits, wie China den Markt für Solarmodule aufgemischt hat, wie es führend in der Windenergie geworden ist und wie es der Konkurrenz bei Wärmepumpen die Rücklichter zeigt. Auf der nicht-technischen Seite überschwemmen Temu oder Shein die Welt mit jeder Art von Fast Fashion oder Fast Crap, die sehr oft nicht einmal die Zollkontrollen passieren, weil Papiere fehlen oder die Produkte ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten.
Und das alles aus einem Land, das massive wirtschaftliche Probleme und enorme Überkapazitäten angehäuft hat, gleichzeitig aber die Kontrolle über viele begehrte Rohstoffe und Ressourcen besitzt. Man könnte argumentieren, dass fast jede Verknappung oder Unterbrechung von Lieferketten in China beginnt. Das Land hat einen enormen Einfluss auf die Weltwirtschaft gewonnen.
Das haben die Chinesen nicht allein geschafft.
Seit mehr als 30 Jahren ist China ein willkommener Partner für billige Arbeitskräfte, für die billige und fast lastenfreie Produktion von allem und jedem und hat den westlichen Volkswirtschaften viele Risiken (Umwelt, Streiks) und viele Arbeitsplätze abgenommen. Viele Menschen und viele Unternehmen sind durch die Zusammenarbeit mit China sehr reich geworden. Ganz schön viele »viel«, gar zuviele?
In den letzten Jahren, lange vor CoVID, haben die Spannungen zwischen China und dem Westen, insbesondere den USA, zugenommen. China will als das anerkannt werden, was es ist – eine Weltmacht, wenn nicht DIE Weltmacht. Die USA wollen ihre Führungsrolle in der freien Welt behalten, d.h., ihre Position als DIE globale Wirtschafts- und Militärmacht. Vergessen Sie den ganzen Quatsch von Menschenrechten und Freiheit, die Realität ist einfach und brutal – wie wir derzeit mit dem Aufkommen antidemokratischer Dynamiken überall sehen, auch in Europa, das sich den Luxus ständiger Verdrängung leistet.
Was hat das mit Billigprodukten zu tun?
Eine ganze Menge! China nutzt seine Wirtschafts- und Wettbewerbsmacht, wo immer es kann, um zu dominieren und zu kontrollieren. Warum kann es das? Weil es unsere Schwächen ausnutzt. Unser Wirtschaftssystem, sowohl auf Unternehmens- als auch auf individueller Ebene, verlangt nach sofortiger Befriedigung – das Neueste, das Schnellste, das Beste zum niedrigsten Preis. Wir sind Konsumjunkies.
Unser System ist auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet: weniger Kosten, mehr Gewinn. Auf individueller Ebene gilt: weniger Kosten, mehr Konsum (es sei denn, man ist reich, dann spielen Kosten keine Rolle). Alles andere ist ein geschöntes Narrativ für diese einfache Wahrheit.
China für sein Verhalten zu tadeln, ist Heuchelei.
Der Westen tut seit vielen Jahren das Gleiche: Er nutzt seine wirtschaftliche und innovative Macht, um zu dominieren und zu kontrollieren – nur zu einem höheren Preis. Fragt man jemanden im globalen Süden, ob er heute an westliche Werte glaubt, lacht er einem mit spürbarer Enttäuschung ins Gesicht. Westafrika? Südamerika? Verloren, wahrscheinlich für lange Zeit.
Wenn Wirtschaftsführer heute noch behaupten, Wirtschaft habe nichts mit Politik zu tun, dann ist das entweder dumm oder eine dreiste Lüge.
Wirtschaft IST Politik.
In dem Systemkonflikt, der sich derzeit abzeichnet, spielt Technologie eine wichtige Rolle, weil sie das Potenzial hat, selbst eine Supermacht wie China bis zu einem gewissen Grad einzudämmen. Die Frage ist: Ist das sinnvoll?
Ohne China wird das europäische Ziel der CO²-Neutralität nicht zu erreichen sein. Das deutsche »Wunder« der erneuerbaren Energien wird durch billige chinesische Solarzellen, Windkraft und Wärmepumpen angetrieben und könnte schließlich durch chinesische Elektroautos erreicht werden, die für die breite Masse erschwinglicher sind als europäische Elektroautos.
Wenn man über Europa hinausdenkt (wieder der globale Süden), kann die Reduzierung von Hunger, Armut und Ungleichheit (Ungerechtigkeit?) nur mit Zugang zu wettbewerbsfähigen Ressourcen funktionieren, die der Westen seit 200 Jahren NICHT zur Verfügung stellt, China aber schon – oder es zumindest versucht (aber: erst Zuckerbrot, dann Peitsche, das sollte man im Hinterkopf behalten).
Will ich in einer von China dominierten Welt leben? Nein, verdammt!
Gefallen mir Autokratien? Auch nicht. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur in unserem idyllischen Europa für Demokratie einsetzen müssen, sondern überall, und das bedeutet auch, dass wir den Entwicklungsländern und den Volkswirtschaften Fairness bieten müssen, wenn es um Handel, Austausch, Zusammenarbeit usw. geht. Ich weiß, ein Traum ...
Um auf die Liste der wettbewerbsfähigen Halbleiter von chinesischen Herstellern zurückzukommen: Sie können fast alles bekommen, was Sie heute von europäischen oder amerikanischen Firmen kaufen. Das Zuckerbrot (niedriger Preis) ist schon da, die Peitsche (Dominanz und Abhängigkeit) ist sichtbar. Die Alternative ist, mehr für Lösungen und Produkte zu bezahlen, von denen man glaubt, dass sie auf den richtigen Werten basieren und keine eingebauten Risiken haben (viel Glück bei der Suche). Und auf Märkten konkurrenzfähig zu bleiben, denen das egal ist. Ironie aus.
Und das alles in einer Welt der multiplen Krisen.
Ich glaube, es ist an der Zeit, dass die Menschheit mit fast allem aufräumt, was unser tägliches Leben bestimmt. Das Erste, was dabei über Bord gehen muss, ist das Ego.