Verbände-Allianz Elektronik fordert: Bürokratie massiv abbauen
16. Januar 2025
… und eine Überforderung des Mittelstandes vermeiden!

Die neu gegründete Allianz appelliert an Unternehmen, diesen Aufruf gegen Überregulierung bis zum 31.01.2025 online zu unterstützen, um der Initiative mehr Nachdruck zu verleihen. Anschließend wird die Allianz gegenüber politischen Entscheidungsträgern aktiv werden.
Was ist die Verbände-Allianz Elektronik?
Die Allianz ist ein Zusammenschluss mittelständisch geprägter Verbände aus der Elektronikindustrie: Aktuell beteiligt sind die Component Obsolescence Group Deutschland e.V. (COGD), der Fachverband Elektronikdesign und -fertigung (FED) und der Fachverband Bauelemente Distribution e.V. (FBDi). Zusammen repräsentiert die Allianz etwa 1.000 Unternehmen, mehrere 10.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz in zweistelliger Milliardenhöhe.
1. Problemstellung: Überbordende Bürokratie und Berichtspflicht
Die deutsche Elektronikindustrie ist eine Schlüsselbranche für Innovationen und zählt zu den transparentesten und saubersten Industrien. Sie besteht aus vielen mittelständischen Unternehmen, die innovative Produkte für alle Industriezweige liefern. Allerdings kämpfen diese Unternehmen zunehmend mit wachsender Bürokratie und Berichtspflichten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Besonders kleinere Betriebe, die keine spezialisierten Abteilungen haben, leiden unter der zusätzlichen Arbeitslast, die die Effizienz verringert. Die EU- und US-Regularien erhöhen den Aufwand enorm, obwohl die Probleme oft aus anderen Industrien stammen. Die Branche kritisiert eine Überregulierung und Überdokumentation mit begrenztem Nutzen, obwohl sie Umwelt- und Verbraucherschutz positiv gegenübersteht.
2. Beispiele für die Überregulierung und Bürokratieaufbau
Parallele nationale und europäische Regulierungen mit abweichenden Fristen und Zielen überfordern die Wirtschaft:
- EU-Richtlinie zum Nachhaltigkeits-Reporting (1CSRD) und ESG-Richtlinien (mit Nachhaltigkeitsbericht) → sehr große inhaltliche Überschneidungen, aber andere Berichtsformate. Doppelarbeit.
- EU-Lieferkettenrichtlinie (2CS3D) und nationales Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (3LkSG) → sehr ähnliche Zielsetzung, aber unterschiedliche Herangehensweise und Berichtsformate. Doppelarbeit.
- EU-Verpackungsverordnung und nationale Verpackungsregulierungen und Entsorgungssysteme → undurchsichtiger Regelungswald mit teilweisen Überschneidungen und nationalen Alleingängen.
- EU-Batterieverordnung und nationale Batteriegesetze (z.B. Batterierecht-Durchführungsgesetz, 4BattVO) mit unterschiedlichen Fristen → inhaltliche Überschneidungen, nationale Alleingänge.
- EU-CO₂-Grenzausgleichssystem (5CBAM) → gedacht für Aluminiumhütten, die Millionen Tonnen in die EU liefern, betrifft aber auch Handel mit Kühlkörpern in äußerst geringer Mengen. Dies führt zu Aufwand ohne irgendeinen Nutzen: Informationen sind in Drittländern kaum verfügbar. Hoher Reporting-Aufwand.
- EU-Verordnung zu entwaldungsfreie Lieferketten (6EUDR) → vergleichbare Situation wie bei CBAM.
- Die EU-Chemikalienverordnung 7REACH und die Datenbank für Informationen über besorgniserregende Stoffe (8SCIP) beinhalten die gleiche Information. → Eine Auswertung der SCIP-Datenbank hat ergeben, dass deren Inhalt aufgrund der Vorgehensweise unbrauchbar und nutzlos ist – nicht nur für die Elektronikindustrie.
3. Konsequenzen
Die Konsequenz aus der überbordenden Gesetzgebung ist ein unverhältnismäßiger Dokumentations- und Prozessaufwand, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler mittelständischer Unternehmen gegenüber dem Nicht-EU-Ausland beschädigt.
Wenn man bedenkt, dass die gesamte Elektronikindustrie in Deutschland weniger als ein Zehntel des CO₂-Fußabdrucks eines einzigen Braunkohlekraftwerks hat, aber jedes Unternehmen nahezu den gleichen Dokumentationsaufwand betreiben muss, müssen sich die Gesetzgeber Gedanken machen, ob hier die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
Das langfristige Ergebnis einer solchen Politik ist die verstärkte Abwanderung von Industrien, was der EU-Initiative zu einer stärkeren strategischen Unabhängigkeit von China oder den USA zuwiderläuft.
4. Unser Appell / Lösungsvorschläge
- Reduktion, Vereinfachung und Vereinheitlichung der Gesetzgebung, Ausschluss redundanter europäischer und nationaler Regularien sowie massive Reduktion der Berichtspflichten für KMU.
- Beschränkung der ESG-Gesetzgebung auf ein europäisches Modell und den relevanten und realistischen Einflussbereich der Wirtschaftsakteure. Keine Doppel- und Kaskadenregulierung, sondern Konzentration der Gesetzgebung auf Hauptverursacher (Pareto-Prinzip) von Schäden, Emissionen und Rechtsverletzungen.
- Unterstützung von KMU bei der Erfüllung bestehender Berichtspflichten.
- Längere Übergangsfristen.
- Zusammenarbeit der Verbände mit den Behörden und Gremien, um hier praktikable Lösungen zu erarbeiten.
Wir rufen alle Verbände und Unternehmen unserer Industrie dazu auf, dieses Plädoyer für weniger Bürokratie und größeren Pragmatismus bei der Rechtssetzung zu unterstützen.
DIE MITGLIEDER DER VERBÄNDE-ALLIANZ ELEKTRONIK
FBDi und Distribution
Die Distribution für elektronische Bauelemente repräsentiert 1/3 des Marktes für Elektronikkomponenten (Chips) in Deutschland, also ca. 7 Milliarden Euro an Umsatz. Als Händler von High-Tech-Komponenten sind wir für 95% aller Kunden in der Elektronikindustrie – zehntausende mittelständischer Unternehmen – der wichtigste Partner zur Umsetzung von Innovationen. Der FBDi repräsentiert ca. 75% des o.g. Umsatzes. Zu unseren Kunden zählen neben dem gesamten Bereich der Automotive- und der Industrie-Elektronik die Kunden der innovativen Technologien von Telekommunikation bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Medizingerätehersteller und Kunden aus Aerospace & Defense beziehen ebenfalls aufgrund Ihres hohen Qualitätsanspruchs den Hauptanteil ihrer elektronischen Bauelemente über die Distribution.
Fachverband Elektronikdesign und -fertigung (FED)
Der FED vertritt die Interessen von 700 Mitgliedern, darunter Leiterplattendesigner und -hersteller, EMS-Firmen, EDA-Firmen, Prozess- und Technologiedienstleister sowie Anbieter von Fertigungsanlagen, Software und Verbrauchsmaterialien. Seinen Mitgliedern in Deutschland, der Schweiz und Österreich gibt der FED Orientierung und Unterstützung bei technischen Unternehmensprozessen und Entscheidungen. Schwerpunkt der Verbandsarbeit ist die Aufbereitung und Weitergabe von Fachwissen sowie die berufsbegleitende Qualifikation von Elektronikdesignern und Elektronikfachkräften.
COGD – Obsoleszenz und Risikomanagement
Der Verband COGD, als deutsches Cluster des IIOM (International Institute of Obsolescence Management), vertritt aktuell 175 Mitgliedsfirmen aus der DACH-Region und den Niederlanden, die sich mit dem Thema Obsoleszenz Management befassen. Hierbei werden Best-Practice Methoden entwickelt um die Risiken des OM proaktiv und strategisch zu verhindern oder abzuschwächen. Neben Dienstleistern für OM sind hier auch Distributoren und Produzierende Betriebe vertreten, u.a. auch aus der Medizintechnik, Automotiv & Zulieferer, Rüstung, Aviation, Transportation oder anderer langlebigen Investitionsgüter.
Glossar
1CSRD – Corporate Sustainability Reporting Directive; Richtlinie (EU) 2022/2464
Diese EU-Richtlinie verpflichtet alle Großunternehmen und alle börsennotierten Unternehmen (mit Ausnahme von börsennotierten Kleinstunternehmen) zur Offenlegung von Informationen über die Risiken und Chancen, die sich ihrer Ansicht nach aus sozialen und ökologischen Fragen ergeben, sowie über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt. Ist derzeit noch für die Umsetzung in deutsches Recht beim Gesetzgeber in Bearbeitung.
• https://finance.ec.europa.eu/capital-markets-union-and-financial-markets/company-reporting-and-auditing
• https://www.dihk.de/de/ueber-uns/die-ihk-organisation/neue-nachhaltigkeitsberichterstattung
2CS3D – Corporate Sustainability Due Diligence Directive; Richtlinie (EU) 2024/1760
Ziel dieser Richtlinie ist es, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Verhalten in den Betrieben der Unternehmen und in ihren globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Die neuen Vorschriften werden dafür sorgen, dass Unternehmen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, nachteilige Auswirkungen ihres Handelns auf die Menschenrechte und die Umwelt innerhalb und außerhalb Europas erkennen und angehen.
• https://commission.europa.eu/business-economy-euro/doing-business-eu/sustainability-due-diligence-responsible-business
• https://www.ihk.de/kassel-marburg/hauptnavigation/aussenwirtschaft
3LkSG – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Mit dem Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) ist erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte in den Lieferketten rechtlich verbindlich geregelt.
• https://www.bafa.de/DE/Lieferketten
• https://www.ihk.de/osnabrueck/international
4BattVO – Batterieverordung; Ursprung in der Battery Regulation; Verordnung (EU) 2023/1542
Die Verordnung sieht einen EU-weit nachhaltigen Umgang mit Batterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor.
• https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling
• https://www.bmuv.de/pressemitteilung/fuer-einen-nachhaltigen-umgang-mit-batterien
5CBAM – Carbon Border Adjustment Mechanism; Verordnung (EU) (EU) 2023/956
Der EU-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) ist ein Instrument der EU, um einen fairen Preis für den Kohlenstoffausstoß bei der Produktion kohlenstoffintensiver Güter zu erheben, die in die EU eingeführt werden, und um eine sauberere Industrieproduktion in Nicht-EU-Ländern zu fördern.
• https://taxation-customs.ec.europa.eu/carbon-border-adjustment-mechanism_en
• https://www.umweltbundesamt.de/presse
6EUDR – Regulation on Deforestation-free Products; Verordnung (EU) 2023/1115
Mit der EU-Entwaldungsverordnung will die EU einen Beitrag zur Eindämmung der weltweiten Entwaldung und zur Reduzierung von Waldschädigung leisten.
• https://environment.ec.europa.eu/topics/forests
• https://www.ihk.de/braunschweig/beratung-und-service/aussenwirtschaft/import-export
7REACH – Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals; Verordnung (EU) 1907/2006
Mit der REACH-Verordnung wurden neue Vermarktungsregeln für reine Stoffe, Gemische und in Produkten verwendete Stoffe eingeführt. Die Industrie ist damit verantwortlich für die Beherrschung der potenziellen Gefahren für Gesundheit und Umwelt durch chemische Stoffe und die Bereitstellung angemessener Sicherheitsinformationen für die Anwender in der Lieferkette.
• https://environment.ec.europa.eu/topics
• https://echa.europa.eu/de/regulations/reach
• https://www.baua.de/DE/Themen/Chemikalien-Biostoffe/Chemikalienrecht/REACH
8SCIP – Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products); Ursprung in der Waste Framework Directive und überführt in die Abfallrahmenrichtlinie (ARRL); Der Zweck zur Einführung der SCIP-Datenbank findet sich im Erwägungsgrund (38) der Richtlinie (EU) 2018/851
Mit SCIP wird das Ziel verfolgt, eine Verringerung der Erzeugung von Abfällen, die gefährliche Stoffe enthalten, indem die Ersetzung besorgniserregender Stoffe in Erzeugnissen, die auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht werden, unterstützt wird. Bereitstellung von Informationen, mit deren Hilfe die Abfallbehandlung weiter verbessert werden kann.
• https://environment.ec.europa.eu/topics/waste-and-recycling/
• https://echa.europa.eu/de/scip
• https://mittlerer-niederrhein.ihk.de/de/energie-und-umwelt